Klärung offener Fragen: Der Begriff „Webinar“
Hat es Abmahnungen gegeben? Oder darf der Begriff weiter verwendet werden?
Zu Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Verboten großer Veranstaltungen boomten Online-Schulungen, sogenannte „Webinare“. Da überraschte es, dass der oft gebrauchte Begriff offenbar seit 2003 als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragen und entsprechend markenrechtlich geschützt ist. In Social-Media-Diskussionen und Internetforen stellte sich infolgedessen die Frage: Droht bei Verwendung des Wortes die Abmahnung?
Begriffsklärung
Was ist ein „Webinar“?
Um über den unbefugten Gebrauch des Wortes entscheiden zu können, muss erst geklärt werden, inwiefern es sich bei der Bezeichnung für Web-Schulungen um eine tatsächliche Marke handelt – und inwiefern nicht.
Der Begriff beschreibt Dienstleistungen wie die „Veranstaltung und Durchführung von Seminaren“ beziehungsweise die „Organisation und Veranstaltung von Konferenzen.“ Die „Bereitstellung von Informationen [erfolgt ] im Internet“ (Quelle: t3n). Der live stattfindende Online-Workshop erlaubt es Teilnehmern und Sprechern, sich auszutauschen und sofort Rückfragen zu klären. Die Vorteile des allseits beliebten „Webinars“ sind nicht nur während der weltweiten Pandemie die Flexibilität aufgrund des beliebigen räumlichen Abstands und der Zugänglichkeit. Zur Teilnahme benötigt man lediglich ein Endgerät und eine Internetverbindung. Entsprechend gering sind die Kosten: Die Teilnehmer sparen Fahrtkosten und -wege, die Veranstalter beispielsweise die Buchung eines Veranstaltungsraumes.
Was hat es mit der Marke „Webinar“ auf sich?
Beschreibende Begriffe, wie der der Online-Schulungen, darf man nicht markenrechtlich schützen lassen. Berechtigterweise stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass es eine eingetragene Marke zum allgemein gebräuchlichen Begriff „Webinar“ gibt. Die Antwort liegt in dem Umstand, dass sich das Wort 2003 in der deutschen Sprache noch nicht wie heute für Fortbildungsveranstaltungen durchgesetzt hatte. Würde man das Wort heutzutage als Marke beantragen, dürfte es nicht rechtskräftig als solche anerkannt werden.
Dass sich das Wort überhaupt für den allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt hat, liegt möglicherweise daran, dass der Markeninhaber seine Rechte an der Marke nicht von Anfang an konsequent durchgesetzt und den unbefugten Gebrauch des Worts „Webinar“ nicht unterbunden hat. Umso fragwürdiger, dass der Lizenzgeber jüngst Abmahnungen ausgesprochen haben soll.
Wem gehört die Marke?
Wie der Markeninhaber Mark Keller aus Kuala Lumpur, Malaysia, in einer Stellungnahme erklärt, stammten die Abmahnungen aber tatsächlich nicht aus seinem Munde. Weiterhin stellt er den richtigen Gebrauch seiner Marke klar.
Von vermeintlichen Abmahnungen und Anträgen auf Löschung
Am 2. Juli 2020 erfolgte die erste Abmahnung (Quelle: Law-Blog). Sie stieß auf weit verbreitetes Unverständnis. Hatte der Markeninhaber womöglich Wind vom gängigen Gebrauch des Wortes „Webinar“ bekommen und versuchte jetzt, seine Rechte durchzusetzen?
Prompt folgten auf die Abmahnung fünf Anträge auf Löschung der Marke. Bis zum 8. Juli 2020 zunächst vier Verfallsanträge auf Nichtbenutzung und einer auf absolute Nichtigkeit. Das DPMA könnte die Marke wegen „Verfalls“ löschen, weil „…die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geworden ist.“ Genau das ist geschehen: Das Wort „Webinar“ ist längst Gattungsbegriff. „Nichtbenutzung“ meint, der Markeninhaber müsse die Marke „als Herkunftshinweis für seine eingetragenen Dienstleistungen, zum Beispiel Online-Seminare, benutzen, wenn er nicht riskieren w[o]ll[e], dass sonst die Marke auf Antrag wegen des Verfalls gelöscht wird.“
Warum Mark Keller seine Marke wegen allgemeiner Gebräuchlichkeit nicht löschen lässt, ist unklar. In seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2020 teilt er aber mit, dass er keine Abmahnungen ausgesprochen hat. Weiterhin gibt er hinsichtlich der Nutzung des Wortes „Webinar“ Entwarnung!
Die Stellungnahme des Markeninhabers
Über seine Kanzlei Legispro ließ der Inhaber und Lizenzgeber der DPMA-Marke mitteilen, dass er keine Abmahnungen verschickt hätte. Wer immer die Abmahnungen, über die diverse Quellen berichteten, ausgesprochen hätte, habe dies mit einem kriminellen Hintergedanken getan. Mark Keller sehe in der Benutzung des Begriffes für Online-Seminare keinen Markenverstoß. Er erklärt, „dass niemand Beeinträchtigungen oder rechtliche Folgen bei seinen Aktivitäten im Zusammenhang mit Online-Seminaren befürchten und erfahren muss, wie auch immer diese im bevorzugten Sprachgebrauch von jedem Einzelnen bezeichnet werden.“ Denn „die Markenbezeichnung WEBINAR® [sei] keinesfalls gleichbedeutend mit dem Begriff „Webinar“ oder sonstigen begrifflichen Abwandlungen.“
Den Unterschied beschreibt er wie folgt: „Der Begriff „Webinar“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch oft als Gattungsbegriff für Online-Seminare aller Art und für Dienste von verschiedenen Anbietern verwendet. Die seit dem Jahr 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene deutsche Marke „WEBINAR®“ ist eine Qualitätsbezeichnung für Online-Seminare sowie weitere Dienste und wird seit vielen Jahren zur Kennzeichnung von Veranstaltungen, Online-Seminaren und weiteren Projekten benutzt.“ Insofern seien erfolgte Abmahnungen nicht rechtens.
Eher sei es der Marke ähnlich wie anderen bekannten Marken wie „TEMPO®“, „PLEXIGLAS®“, „UHU®“ und„TESA®“ ergangen. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei „[i]m Verkehr […] der Unterschied zwischen der Marke WEBINAR® und dem Begriff „Webinar“ regelmäßig an dem Markenhinweis durch die Beifügung des „®“-Symbols zu erkennen.“
Checkliste
- Man darf den beschreibenden Begriff „Webinar“ weiterhin verwenden, denn er meint nichts anderes als „Online-Schulung“ oder „Online-Seminar“.
- Die Bezeichnung der geschützten deutschen Marke lautet „WEBINAR®“. Diese darf man nur nutzen, wenn man die Lizenz dazu besitzt.
- Der Markeninhaber darf aber theoretisch jeden abmahnen, der den Begriff markenmäßig für Online-Seminare und -Schulungen benutzt. „Markenmäßig“ meint, dass man den Begriff konkret für die Kennzeichnung bestimmter Waren oder Leistungen nutzt und nicht rein beschreibend. Im Falle eines Falles entscheidet letztlich aber immer der Richter.
- Wenn man das Abmahnrisiko zu 100% ausschließen will, kann man den Begriff „Webinar“ beispielsweise durch Synonyme wie „Online-Schulung“, „Web-Seminar“ oder „Online-Seminar“ ersetzen.